sportive woman with bicycle resting on countryside road in sunlight
Kathrin Wibbing, Inspirationen Energie, Inspirationen

Unser Atem – Neubeginn und Müllabfuhr


Atmung ist im Yoga ein essentieller Prozess: Als notwendiger körperlicher Vorgang, um Energie zu tanken und als Gegenstand der Konzentration und Meditation. Unter dem Begriff „Pranayama“ versammeln sich die vielen Übungen, die vor allem Atemübungen sind. Mehr von unserer Autorin Kathrin Wibbing findest du hier: https://w-in-flow.de/veroeffentlichungen/


Das Leben beginnt mit dem ersten Atemzug – ein Einatem. Nach der Geburt strömt zum ersten Mal
Luft in die Lunge und die Lungenbläschen füllen sich. Von diesem Moment an schenkt unser jeder
einzelne Atemzug Energie, die wir zum Leben benötigen – Lebensenergie bis zum letzten Atemzug;
wir beenden unser Leben mit einem Ausatem.
Dazwischen atmen wir täglich um die 20.000 Mal – viele dieser Atemzüge erfolgen unbemerkt. Die
Atmung ist ein Reflex des Körpers. Spannenderweise ist es die einzige reflexartige Körperaktivität, in
die wir bewusst eingreifen können. Wir können tiefer einatmen, den Atem anhalten und länger
ausatmen.

Vier Phasen des Atemens – Atmen als Powerfunktion

Unser Atem besteht aus vier Phasen:

  • Einatem als aktive Phase
  • Atempause in der Atemfülle – es entsteht mehr Energie im Körper
  • Ausatem als passive Phase
  • Atempause in der Atemleere – wir können loslassen und es entsteht mehr Ruhe im Körper

Mit dem Einatem kommt die Luft und damit die Energie in den Körper. Im Körper findet die
Zellatmung statt. Über das Blut gelangt der Sauerstoff in jede einzelne Körperzelle, die den Sauerstoff
aufnimmt. Mit dieser Oxidation entsteht Energie, die jede einzelne Zelle ernährt und belebt. Durch
den Ausatem werden Abfallstoffe aus den Zellen über das Blut nach außen abgegeben. Ungefähr 70%
aller Abfallstoffe des Körpers werden über die Atmung ausgeschieden – das ist mehr als über die
Haut (20%) und über die Verdauung (10%)! Damit ist der Atem eine echte Powerfunktion im Körper.

Die volle Yogatamung

Mit unterschiedlichen Atemtechniken können wir uns diese Powerfunktionen zunutze machen. Eine
umfassende Technik ist die Yoga-Vollatmung, um bewusst in eine vollständige Atmung zu kommen.
Lege dich auf den Rücken, lege die Hände auf den unteren Bauch und auf die Brust. Atme entspannt
aus – mit der Ausatmung sinkt der Bauch nach unten. Atme nun bewusst und tief ein – lass den Atem
als erstes in den Bauch fließen. Spür wie sich nach und nach dein ganzer Oberkörper ausdehnt: der
Bauch und die Brust erheben sich – selbst die Schlüsselbeine und Schultern heben sich und der Rücken
dehnt sich nach hinten aus. Lass anschließend die Luft aus deinem Körper herausfließen. Führe die
Atmung einige Minuten lang aus. Bleib abschließend noch einen Moment liegen und spüre nach.
Doch auch weitere Atemtechniken unterstützen dich. Wenn du mehr Energie benötigst, lege deinen
Fokus auf den Einatem. Benötigst du hingegen mehr Ruhe und Entspannung lege den Fokus auf den
Ausatem und verlängern diesen. Eine wunderbare Übung zum Detoxen und Reinigen ist Kapalabhati.
Lass dir diese Technik gerne von deinem Yogalehrer zeigen.

Wusstest du schon, dass

  • du mit einem langsamen tiefen Atemzug 6-10 Mal mehr Luft aufnimmst als mit einem normalen flachen?
  • unser Gehirn 80% des eingeatmeten Sauerstoffs verbraucht?
  • das Zwerchfell der größte Muskel im Körper ist?
  • du den Reinigungsprozess deines Lymphsystems durch bewusstes und richtiges Atmen um mehr als das Zehnfache beschleunigen kannst?

Atmung als Meditation

Neben diesen aktiven Atemtechniken kannst du den Atem auch dazu nutzen, in einen meditativen
Zustand zu kommen. In ein Leben im Jetzt. Dazu kannst du den Atem einfach beobachten.
Schließe deine Augen und beobachte deinen Atem. Spüre zum Einatem – der Einatem schenkt Energie.
Spüre den Luftstrom und damit die Energie an den Nasenlöchern, in der Kehle, im Brustbereich, im
Bauchraum – einfach nur spüren. Und mit dem Ausatem lässt du los. Mit dem Ausatem kannst du
alles Alte und Verbrauchte einfach an die Umgebung abgeben und loslassen. Lass den Ausatem bei
jedem Atemzug etwas länger und ruhiger werden. Nimm auch die kleinen Atempausen zwischen Einund Ausatem wahr. Beobachte anschließend den Neubeginn des Zyklus mit dem nächsten Einatem.
Führe diese einfache Übung jeden Tag ca. 7 Minuten durch und du wirst schon nach wenigen Tagen
spüren, dass du immer mehr in der Ruhe ankommst.
Das Schöne daran ist: Diese Übung kannst du wunderbar in den Alltag einbauen – 7 Minuten hast du
doch bestimmt für dich. Du kannst die Übung überall durchführen, wo du ein paar Minuten Ruhe
hast. Einfach entspannt hinsetzen, die Hände mit den Handflächen nach oben auf dem Schoß ablegen
und die Augen schließen.

Die Geschichte vom Holzfäller

Vielleicht kennst du die Geschichte vom Holzfäller, der jeden Tag versucht mehr Bäume als am
Vortag zu fällen. Es gelingt ihm aber nicht – ganz im Gegenteil: Er schafft jeden Tag weniger als am Vortag. Sind es am ersten Tag noch 18 Bäume, schafft er am 6. Tag lediglich zwei Bäume – obwohl er
geschuftet hat bis zum Umfallen. Er versteht die Welt nicht mehr, bis sein Vorarbeiter ihn fragt:
„Wann hast du denn deine Axt das letzte Mal geschärft?“ Die Antwort: „Die Axt schärfen? Dazu
hatte ich keine Zeit, ich war zu sehr damit beschäftigt, Bäume zu fällen.“ [nach Jorge Bucay]
Nimm dir jeden Tag Zeit: Schärf deinen Verstand, um erfrischt und entspannt deinen vielfältigen
Tätigkeiten nachzugehen. Mit regelmäßigen Meditationen erreichst du genau das.


Wenn du dich für schöne Meditationstexte – unter anderem Atembeobachtungen interessierst,
schau gerne auf meiner Seite vorbei. Dort gibt es das Buch „Schöne Worte im Yogaunterricht“.
https://w-in-flow.de/veroeffentlichungen/

Namaste.
Deine Kathrin

Quellenangabe:
„Atemtechniken“ von Markus Schirner
„Praxisbuch Pranayama“ von Jana A. Czipin