human skeleton model
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Ein Besuch der „Körperwelten“ und ein neuer Blick…

Herbstferien 2022. Drei Tage Berlin mit meinem 17jährigen Sohn. Berlin ist ein Hotspot deutscher Politik und Geschichte, bietet viele Museen und Studienorte zu den Themen Natur- und Kulturgeschichte und ist ein wirklich inspirierender, lebendiger und belebender Brennpunkt unserer Multi-Kulti-Gesellschaft.

Im Erdgeschoss des Fernsehturms haben wir die Ausstellung „Körperwelten„, die vor Jahren auf Tourneee ging, besucht. Und dieser Besuch war „Mind-blowing“ – anders als erwartet: Keine Spur von Ekel oder moralischen Bedenken (hier werden ja echte Körper plastiniert und ausgestellt). Einfach nur Staunen und Bewunderung:

  • unzählige Knochen und Gelenke
  • Muskulatur, Sehnen, Knorpel und Faszien
  • Atem-, Verdauungs-, Reproduktions- und Blutsystem
  • Neuronales System: Nerven und Gehirn
  • von der befruchteten Eizelle über den Fötus zum geborenen Menschen
  • Menschliche Bedürfnisse: zwischen Extase und Kontrolle, Lustgewinnung und Schmerzlinderung, Mechanismen des Glücks

Und als ich das sah: Kein Zufall, kein Experiment des Kosmos. Das ist unendlich intelligent – jenseits des Menschen-Möglichen: Entwickelt, gemacht und konstruiert. Und was passiert mit mir, wenn ich dieses Wunder wirklich sehe? Ich möchte mein Leben und das meiner Mitmenschen feiern und zur Entfaltung beitragen. Keine Zeit für Depression, Repression oder Mord oder Krieg.

bouquet of dried flowers and wedding rings on wood
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The cirle of life – Varnashrama Dharma: 4 Phasen des Lebens

Es gibt bedeutsame Gesetzmäßigkeiten: Nach dem Frühling folgt der Sommer, dann der Herbst und es wird Winter. Ein Leben wird gezeugt, nach 5 Wochen schlägt das neue Herz zum ersten mal, nach 9 Monaten kommt das Kind zur Welt. Gibt es für die Entfaltung des menschlichen Lebens weitere natürliche Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungsstufen?

Die Zeit, in der Yogis die Entwicklung der Menschen innerhalb ihrer Lebensspanne beobachteten und beschrieben, war frei von modernen wirtschaftlichen und bildungspolitischen Ideen. Entwicklung fand innerhalb des Raums der Familie statt. Die folgende Tabelle verdankt sich dem Beitrag Sadhgurus „4 Phasen des Lebens, die jeder kennen sollte“. Es gibt eine etwas abweichende Darstellung bei Yoga-Vidya.

Alteryogischmodern
0-12 JahreBalavasta
Die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten entwickeln sich durch Essen, Spielen und Schlafen – mehr braucht es nicht.
Dafür brauchen die Kinder einen geschützen Raum – 12 Jahre lang.
Kita ab 3 Monaten

Einschulung ab 6 Jahren: Kinder lernen schon jetzt, still zu sitzen und müssen sich „benoten“ lassen…

Erfahrungen im Internet, Medien statt Spiel…

Wechsel auf verschiedene Schulformen ab 10 Jahren
12-24 JahreBramacharya
Die Jugendlichen üben sich jetzt in Disziplin und lernen. Körper und Geist haben jetzt die nötige Reife dazu.
Hinwendung zur Verbundenheit (Yoga) wird gelehrt. Bildung soll Einheit schaffen, nicht Trennung.
Kinder lernen Unterschiedliches bezogen auf Schulform und Schulabschluss

Konkurrenz

kummulatives/intellektuelles statt ethisches Lernen/Bildung
24-36Gihastashrama
Manche wählen schon jetzt das spirituelle Leben, viele wählen die eigene Familie und Kinder.
Ausbildung, Beruf, Karrieren: Das Thema „Familie“ wird oft auf später verschoben.
36-…Vanaprastha
Die Kinder sind erwachsen, die Aufgaben als Vater oder Mutter sind erledigt.
Es folgt die gereifte Rolle der LehrerIn, Großeltern…
Midlifecrisis: Umorientierung beruflich / privat, Cowntdown für das Thema „Familie“

für manche das erste Kind
im Alter (ab 70 Jahren)Sannyasa
Es folgt eine Zeit der intensiven spirituellen Praxis.
Eine Zeit „danach“…
Für viele stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens nach der Erwerbstätigkeit.

Mit fallen drei Dinge besonders auf:

  1. Die alte „yogische“ Unterscheidung der Lebensphasen ist deutlich ruhiger und zugleich fokussierter als das, was mir spontan unter „modern“ eingefallen ist.
  2. Die Lebensphase bis 12 Jahre (Balavasta) erscheint mir besonders wichtig: Eine so lange Zeit wird den Kindern zugestanden, bis sie ins formale Lernalter eintreten. Mir kommt das richtig vor, auch wenn „Kindergarten bis 12“ überhaupt nicht zeitgemäß erscheint.
  3. Die Phase ab 36 Jahren (Vanaprastha) ist mit einer besonderen Würde gefüllt.

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„Wie kann ich in dieser Welt glücklich sein?“

Ich bin sehr dankbar für diese Frage, die mich daran erinnert, dass ich sie selbst habe: Um mich herum: Krieg, Hungersnot, Gewalt vor und hinter der Haustür, Ausgrenzung, Umgang mit der Natur, Unvernunft, erlebte Traumata, Mitmenschen, die sich selbst schaden, Ideologien und Theorien, die jeder Vernunft widersprechen… Wenn wir genau hinschauen, könnten wir das Lied singen „Wie soll ein Mensch das ertragen“?

Das Leben um uns herum läuft nicht so, wie es laufen sollte und wie kann ich auf dieser Welt glücklich sein und: darf ich das überhaupt? Ist es überhaupt vertretbar, auf dieser Welt mit all ihren Problemen Glück zu erfahren? Und wieso grüble ich eigentlich so sehr darüber nach, obwohl ich weiß, dass ich keine Lösungen finden werde.

Ein paar Gedanken – hoffentlich inspirierende Gedanken – dazu.

Die erste wichtige Nachricht: Es ist gut, wenn du dir Gedanken machst – wir Menschen haben einen Verstand und es wäre Verschwendung, ihn nicht zu nutzen. Gedankenlosigkeit ist ja auch keine schöne oder würdige Option. Wenn aber Grübeln entsteht und daraus eigenes Unglück, ist es etwas viel… Es ist sehr bedeutsam, wenn du bemerkst, dass da etwas nicht positiv für dich läuft. Und letztlich geht es um die Frage, was kannst du in dir selbst verändern – wenn du schon die Welt um dich herum nicht erlösen kannst? Wie kommst du vom Mit-Leiden ins Mit-Gefühl?

Suchen wir nach Ansätzen in den Yamas und Niyamas – da Yoga des Nachdenkens ist Jana-Yoga. Danach schauen wir in die Yogapraxis – was kann ich üben? Ein wichtiges Thema, an dem wir die ganze Kunst des Yoga einmal anwenden können:

  • Ahimsa und Brahmacharya – Gewaltlosigkeit und Enthaltsamkeit: Wenn du zu viel Gewalt in Form von Nachrichtensendungen etc. konsumierst, wirst du erleben, dass das Spannungen in dir erzeugt. Ebenso geschieht das, wenn du selbst in deinem Geiste immer wieder in diese Themen gehst und diese Gewalt psychisch in dir aufbaust. Du erzeugst selbst ein Samskara (einen Eindruck) von Gewalt in dir, den du vielleicht nicht mehr gut „verdauen“ kannst. Gewaltlosigkeit auch für sich selbst ist ein wichtiger Tipp und Enthaltsamkeit auch. Niemand hat etwas davon, wenn du darunter leidest.
  • Satya und Swadhyaya – Wahrhaftigkeit und Studium alter Schriften (nicht Tick-Tock (:-): Wenn du genau hinsiehst, wirst du erkennen, dass die Welt auch ganz tolle Seiten hat und viele tolle Menschen um dich herum da sind. Irgendetwas sorgt dafür, dass du dich auf die Schattenseiten konzentrierst. Die alten Schriften sagen, dass deine Wahrnehmung der Welt ein direkter Blick in dein „Karma“ ist: Dein eigenes Gefühl von Gewalt, erlittener Gewalt, zieht dich in dieses Thema und weckt ein eigenes Leiden, das du in den vielen Inkarnationen vorher oder vor ein paar Jahren erlebt hast. Darin steckt deine Möglichkeit, dich davon zu befreien. Es geht dabei weniger um die Tatsachen da draußen oder um deine eigene Geschichte – es geht um das Gefühl, das wie ein Magnet wirkt. (Wir wissen, dass „Geschichten“ und Gefühle im Hirn an zwei verschiedenen Stellen gespeichert werden…) Und wenn andere Menschen in dieses Thema der Gewalt hineingehen, so ist es deren Karma, deren Magnet. Du kannst sie inspirieren und ein Beispiel sein – nur von wenigen Gurus wird berichtet, dass sie das Karma anderer Menschen „verbrennen“ können.
  • Ishwaraprandidhana – Gottvertrauen: Mit Gottvertrauen kannst du das Übel der Welt in Gottes oder in höhere Hände legen. Mit den alten Schriften kannst du davon ausgehen, dass der Kosmos und das Leben und die Menscheit in einem langen Prozess der Entwicklung sich befinden. Der geistige Zustand der Menschen wird sich weiterentwickeln in einem eigenen Tempo. Und irgendwann werden sie damit aufhören, Leid zu erzeugen für sich und für andere.
  • Santosha – Zufriedenheit: Wenn du dir immer wieder in Erinnerung rufst, wofür du dankbar sein kannst, wird sich ein Gefühl von Zufriedenheit entwickeln.
  • Tapas – Askese oder Bemühen, Feuer: Wenn du dich aus dem Zustand des Mitleidens befreien möchtest, braucht es etwas Bemühen und Üben. Dein Geist geht gerne in diese Themen hinein und mit etwas „Feuer“ kannst du neue Muster erzeugen. Dazu braucht es eine gesunde Portion „spirituellen Egoismus“, der dir die Erlaubnis gibt, unabhängig von äußeren Situationen und Meinungen zu üben.

Zur Frage „Wie kann ich in dieser Welt glücklich sein“ haben wir die ersten beiden Stufen des Yoga genommen: Yamas und Niyamas. Kommen wir zu den verbleibenden 6 Stufen – ganz kurz, weil du diese Praxis eigentlich schon kennst:

  • (3) Asanas – Körperübungen: Wir wissen genau, dass körperliche Übungen nicht nur fitter, beweglicher und physisch gesund machen können – wir wissen auch, dass Stress körperlich gespeichert wird und durch Übungen abgebaut werden können. Anfangs scheinen die Übungen eher (positiven) Stress zu erzeugen – das gibt sich…
  • (4) Pranayama – Energieübungen: Mit den Atemübungen führen wir neue Energie in Form von Sauerstoff in unser System, Verbrauchtes wird ausgeschieden. Anfangs kann die Atemarbeit eher mühsam erscheinen.
  • (5) Pratyahara – Rückzug der Sinne: Mit der Fähigkeit, die Außen- und die eigene Gedankenwelt einmal loszulassen, ermöglichen wir weitere Entwicklungen in uns. Anfangs begegnen wir erst einmal unserer inneren Gefühls- und Gedankenwelt und wir lernen, dorthin keine Aufmerksamkeit mehr zu schicken.
  • (6) Dharana – Konzentration: Mit der Fähigkeit, uns auf eine (!) gute Sache, auf ein Gedanken oder auf ein Mantra zu konzentrieren zähmen wir unseren Geist, der im Alltag oft mit uns spazieren geht („Affengeist“). Wir kennen den Zustand, in dem wir vollkommen absorbiert sind von unserer Beschäftigung – wir nennen das „flow“. Im Laufe der Zeit lernen wir, diesen Zustand immer wieder zu erreichen und ihn zu halten. Es gibt viele Mantras zu unserem Thema, vielleicht fällt dir auch ein eigenes ein?
  • (7) Dhyana – Zustand der Meditation: Halten wir die Konzentration, verschwindet unser „Ich“ und das Bewusstsein verbindet sich mit dem Inhalt der Konzentration. Dhyana können wir nicht üben oder erzwingen – wir können aber alles vorbereiten, damit Dhyana sich einstellen kann.
  • (8) Samadhi – Erkenntnis, Einheitserfahrung: Am Ende der Übungen können wir den Zustand von Samadhi erreichen: Wir sind mit allem verbunden. Auf verschiedenen Stufen reifen Erkenntnisse und Wahrheiten jenseits unseres Intellekts und jenseits unseres begrenzten Wissens.

„Wie kann ich in dieser Welt glücklich sein?“ Zu dieser Frage haben wir den 8-fachen Yogaweg befragt und zuletzt die Köper- und geistigen Übungen betrachtet. Mit der Beschäftigung mit den Yamas und Niyamas konnten wir vielleicht einige tiefe erlernte Überzeugungen korrigieren: Dein Streben nach Glück und Zufriedenheit ist ein wichtiger Beitrag in dieser – manchmal verrückt erscheinenden – Welt; in welcher Welt auch sonst. Es ist vollkommen okay, den Zustand der Welt und der Menschen für verrückt zu erklären und sich selbst hinaus zu ziehen. Du darfst deine innere Reise beginnen oder fortsetzen mit großem Vertrauen: „The way out is the way in.“

Vielleicht noch eine sprachliche Korrektur – ersetzen wir mal das „aber“ durch ein „und“:

  • Ich könnte glücklich sein, aber da ist so viel Leiden auf der Welt.
  • Ich kann glücklich sein und da ist so viel Leiden auf der Welt.

OmShanti

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Sprache schafft Atmosphäre

In der Coronazeit (April 2021) lese ich im schulischen Kontext viele Mails und mir fällt auf, wie Sprache unbewusst eine Atmosphäre schafft, ein Klima, in dem Gefühle, Gedanken und Handlungen wachsen.

Aus einem Test mit Kindern wird dein „medizinischer Eingriff“, eine Schule kann „ihrem pädagogischen Impetus nicht mehr nachgehen“, man ist zu diesem und jenem „gezwungen“ und man „bedauert sehr“ und „hofft“. Diese Worte an sich (bitte noch mal lesen) erzeugen eine gewisse Stimmung, nicht wahr? Ein Coronatest könnte auch ein „kollektives Nasenpopeln“ sein, man könnte sich darauf freuen, bald wieder das Potential der Pädagogik für die Kinder auszufahren, man könnte sagen, dass wir Verantwortung übernehmen für andere und sie nicht anstecken wollen (mit Husten, Hepatitis, Corona oder Läusen). Die aktuelle Coronazeit ist sprachlich sehr interessant.

Wenn wir die Yamas und Niyamas auf unser Sprechen beziehen, werden wir bewusster für die Wirkung unserer Worte und unseres Stimmklangs. Unser Umgang mit Sprache wird achtsamer und wir könnten in der Yogastunde und im alltäglich miteinander bewusst eine gute Atmosphäre schaffen, ein Klima, in dem gute Gefühle, Gedanken, Handlungen und Menschen wachsen.

Probiere es mal aus: Notiere dir 5 positive Wörter, an die du dich heute mehrmals erinnern möchtest, die du heute mehrmals im Kontakt mit anderen nutzen möchtest. Beobachte, was passiert.

person in black leather shoes sitting on brown wooden chair
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Weiblich&Männlich – Beziehungsgedanken

  • John Eldredge: Der ungezähmte Mann, Brunnen-Verlag
  • Raphael M. Bonelli: Frauen brauchen Männer. Und umgekehrt, Kösel-Verlag
  • Björn Süfke: Männer, erfindet euch neu – was es heißt, ein Mann zu sein, Mosaik-Verlag
  • Andrea und Veith Lindau: Königin und Samurai. Wenn Frau und Mann erwachen, Kailash-Verlag

eine Betrachtung jenseits von schwarz und weiß

Ja, es gibt schwarz und weiß – ganz selten nur reines schwarz oder reines weiß – und es gibt ganz besonders viele Schattierungen dazwischen. Wenn wir hier über weiblich und männlich nachdenken, legen wir keinen Menschen fest, beschreiben aber Eigenschaften, die durch die Forschung mittlerweile durchaus als typisch benannt werden.

Selbstredend hat jeder Mensch beide Anteile in ganz einzigartigen Mischungsverhältnissen.

Als Mann und Frau schuf er ihn (den Menschen).

Genesis 1, Bibel

Vom Nutzen der Betrachtung

Mögen diese Betrachtungen zur gegenseitigen Wertschätzung der beiden Aspekte führen und den Umgang mit der Unterschiedlichkeit erleichtern.

Ich denke, dass die Frage nach Weiblichkeit und Männlichkeit für unsere eigene Entwicklung wichtig ist, für die Gestaltung der Beziehung zwischen Mann und Frau und für die Frage des Umgangs mit uns anvertrauten. Besonders meine ich hier unsere eigenen Kinder. Aber auch Kindergärten und Schulen sollten bewusst mit diesem Thema umgehen.

Forschung und Bücher

Die längste Zeit meines Lebens habe ich mich nicht in das Thema Männlichkeit und Weiblichkeit vertieft, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten irgendwie wahrgenommen und über die Beziehung dieser Möglichkeiten (in Begegnung mit anderen Menschen oder innerhalb der eigenen Person) wenig nachgedacht. Tatsächlich empfand ich da so einige Hindernisse, wie sie auch Björn Süfke im Bereich der psychologischen Forschung beschreibt: Man will ja nicht einseitig sein, Klischees bedienen, das Eine gegen das Andere ausspielen. So gibt es aber wunderbare Bücher zum Thema, die weder biologistisch in die Ecke drängen, noch Unterschiede verdrängen. Der Wiener Psychiater Raphael M. Bonelli beschreibt sehr schön, wie beide Seiten – sich ihrer Begabungen bewusst – sich in gelingenden Beziehungen ergänzen können. Gleichzeitig legt er auch ganz eindrücklich durch viele Fallberichte dar, wie nahe der Weg zum Pathologischen ist, wenn die eine oder andere Seite sich isoliert entwickelt. Für die gemeinsame Entfaltung von Männlichkeit und Weiblichkeit werben auch Andrea und Veith Lindau, die in ihrem Buch diesen gemeinsamen Akt die „Co-Creation“ nennen. „Am Du wird der Mensch zum Ich“ (Martin Buber) – Erst an der Begegnung mit der Frau entdeckt der Mann den umfassenden Sinn seines Talents zur Männlichkeit. Und für Frauen gilt das Gleiche umgekehrt. (Bonelli) Im Anerkennen und Vertrauen in die jeweils andere Begabung wird unserer Generation, besonders den „Millenials,“ eine große Unsicherheit und Widersprüchlichkeit attestiert.

Wenngleich sich kein Setting schaffen lässt, in dem die sozio-kulturellen Bedingungen gänzlich ausgeblendet werden können, benennt die psychologische Forschung mit großer Sicherheit typisches Geschlechterverhalten. Bonelli grenzt diese Ergebnisse streng von Vorurteilen ab und rehabilitiert den Begriff des Stereotyps – viele Stereotypen konnten empirisch nachgewiesen werden. Das Bild, das wir von uns mehr oder weniger bewusst von Männern und Frauen machen, ist also gar nicht so unscharf, wie wir es so oft befürchten.

Der Psychater beschreibt die menschliche Konstitution mit den griechischen Begriffen Soma (Leib), Thymos (Lebenskraft, Gemütslage) und Noos (geistiges Erfassen). – die ersten drei Koshas in der Yogaphilosophie benennen die selben Ebenen (Körper, Emotionen, Gedanken). Anhand dieser drei Begriffe entfaltet er die männlichen und weiblichen Begabungen, arbeitet aber auch deren Schattenseiten heraus:

Er stellt dar, dass sogar auch die medizinische Forschung mittlerweile männliche und weibliche Körper endlich einzeln untersucht (die Körperzellen und Organfunktionen unterscheiden sich sehr: Ein weiblicher Organismus reagiert auf Medikamente anders, als ein männlicher. Ein weiblicher Schlaganfall äußert sich anders, als der gut erforschte männliche.

Bonelli fasst auch Erkenntnisse der Psychologie zusammen und beschreibt, dass auch die Gehirne von Männern und Frauen anders funktionieren und das Gefühlsleben sich unterscheidet. Frauen bedienen eher die weiße Substanz, Männer eher die graue Substanz: Frauen nehmen assoziativ war und lösen so Probleme, Männer nehmen eher spezielle Details war und haben bei der Bearbeitung von Problemen eher den „Tunnelblick“. Beide Arten haben da Vorteile. So hat man mittlerweile auch bei der Entwicklung von IQ-Tests dazugelernt und eher „weibliche“ Aufgabentypen hinein genommen. Bislang kamen die Designs eher den männlichen Fähigkeiten entgegen.

ein energetischer Zugang mit ähnlichen Feststellungen

Energetisch betrachtet scheint mir das weibliche Prinzip von unten nach oben zu fließen (Muladhara aufwärts) mit den entsprechenden Qualitäten und das männliche von oben nach unten (Sahasrara abwärts):

  1. Mudladhara: Sicherheit, Närend, Akzenptanz (Erde)
  2. Svadhisthana: Kreativität, Beziehung, Genuss (Wasser)
  3. Manipura: Ich-Stärke, Selbstbewusstsein, Willens- und Durchsetzungskraft (Feuer)
  4. Anahata: Liebe, Mitgefühl, Hingabe (Wasser)
  5. Vishudda: Kommunikation, Wahrheit, Zuverlässigkeit (Luft)
  6. Ajna: Erkenntnis, Ratio, Konzentrationsfähigkeit (Raum)
  7. Sahasrara: Spiritualität, Öffnung für „höheres“

Wenn man diese Eigenschaften nun von unten nach oben (weiblich) und danach von oben nach unten liest (männlich), kommt man zu Schwerpunkten in der Beschreibung der Geschlechter, wie sie auch Bonelli referiert:

  • Das männliche Prinzip ist eher rational, denkt gerne in Systemen und folgt dem Prinzip „Stärke“.
  • Das weibliche Prinzip steht mehr mit dem konkreten Leben, wie es ist, in Kontakt, denkt gerne assoziativ und folgt dem Prinzip „Fürsorge“.

Erstaunlich, wie nah uns die aktuelle Forschung (Stand 2019) zu den Aussagen der alten Lehren (auch Yin/Yang) bringt. Nochmal: Niemand ist nur so oder nur so. Wir sehen aber, dass Männer und Frauen sich oft anders verhalten, anders wahrnehmen, interpretieren und sich mit verschiedenen Dingen gerne beschäftigen.

Begegnung von weiblich und männlich

Bonelli beschreibt sehr schön, wie beide Geschlechter sich bewusst begegnen und bereichern können, sich gegenseitig ergänzen. Energetisch gesehen ist der Treffpunkt der Geschlechter im Anahata-Chakra. Es liegt genau in der Mitte der Energieströme.

Im Yoga gibt es (im Individuum) das gleiche Ziel: Die Begegnung und Erkenntnis von Energie und Bewusstsein, von Brahman und Atman, von Kundalini und Shiva.