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Yoga im (Mannschafts-)Sport: Beispiel Fußball

“Spätestens seit der Fußball-WM 2006 wissen wir, wie sich die deutsche Nationalmannschaft neben dem üblichen Training fit hält: mit Yoga” (die Welt). Es war ein Augenaufschlag, als Oliver Bierhoff den bekannten Patrick Broome ins Trainingslager holte (yoga-vidya) – diese Entscheidungen waren sehr folgenreich; Yoga hat sich als mittlerweile gut erforschte “komplementäre” Disziplin in vielen Bereichen etabliert – für Sportler, für Manager, für Lehrer/innen, für Schüler/innen, für Büroarbeiter/innen, für Schwangere/innen (:-).

In diesem Artikel geht es darum, inwiefern Yoga das Fußballtraining bereichern und ergänzen kann – Fußball gerät hier nur exemplarisch in den Blick, es kann durch jede andere Sportart ersetzt werden (Yoga für Jogger/Surfer…). 

Bevor wir uns im zweiten Teil dieses Aufsatzes den körperlichen und mentalen Nutzen zuwenden, ist es für Yogaanfänger sicherlich gut, in aller Kürze etwas über Yoga im Allgemeinen zu erfahren. (Für ganz eilige Leser*innen: Es gibt eine kurze tabellarische Zusammenfassung am Ende.)

  1. Hintergründe (1.1 ein ganz kurzer Blick in die Geschichte des Yoga | 1.2 drei Wirkbereiche und viele Yogastile | 1.3 viele Übungen und zwei geheime Zutaten)
  2. Yoga für Fußballer (2.1 Yoga hat körperlich Einiges zu bieten | 2.2 mentaler Benefit)
  3. tabellarische Zusammenfassung und Fazit

Also los:

1. Hintergründe

1.1 ein ganz kurzer Blick in die Geschichte des Yoga

Hier eine kleine Einführung in das, was Yoga eigentlich ist – ein Blick in die Geschichte, genauer in die Geschichte seiner Verbreitung, die wir der Einfachheit wegen in drei Phasen betrachten: 1) spirituell-religiöser Ursprung, 2) Verbreitung – die Yogawelle und 3) Analyse und Nutzbarmachung.

  • spirituell-religiöser Ursprung: Yoga hatte seinen asketischen Ursprung (ca. 1500 v. Chr.) bei den spirituell Sinnsuchenden, die “Erleuchtung” erlangen und die materiellen Welt übersteigen wollten. Yoga war ein ganzheitlicher Übungsweg für Körper und Geist, die eigene Seele zu schauen, die absolut verbunden geglaubt wurde mit der großen Seele (“Brahman”). Wir werden aber sehen, dass Räucherstäbchen, Rituale, Gesänge und Gemeinschaften keine zwingenden Praktiken sind.
  • Verbreitung – die Yogawelle: Als Yoga im 19. Jahrhundert (Swami Vivekandanda) nach Europa hinüber schwappte, ging es schon weniger um “Erleuchtung”: Es war eine Anleitung zum “glücklichen Leben” und betonte eher die “Wissenschaft unseres Geistes” als Schlüssel des Yoga – die Religiösen Inhalte gerieten zugunsten einer im Westen gut zugänglichen “Psychologie der Befreiung aus dem selbst erzeugten Unglück” (körperlich und mental) in den Hintergrund. In den folgenden Jahren wurde Yoga sehr populär und die verschiedensten Yogarichtungen wurden überliefert und/oder entstanden neu, sodass wir heute vor einem Dschungel der Yogawelt sprechen können. Patrick Broome, der bekannteste Vermittler zwischen Fußball- und Yogawelt, ist Vertreter des Jivamukti-Yoga (“Befreiung zu Lebzeiten”). 
  • Analyse und Nutzbarmachung: Und schließlich haben Mediziner, Sportler und Sportwissenschaftler Yoga als einen Beitrag zur eigenen Disziplin erkannt. Psychologen und Neurowissenschatler erforschen die Effekte der Themen Achtsamkeit, Meditation, Körper- und Atemarbeit und integrieren sie in ihre Therapievorhaben. Mediziner verweisen besonders bei Problemen mit unserem Haltungs- und Bewegungsappart auf Yogastudios. Und Sportler lieben aus verschiedensten Gründen die Abwechslung im Trainingsalltag durch Yogaeinheiten.

1.2 drei Wirkbereiche des Yoga und viele Yogastile

Auch wenn es aktuell ganz amüsante Spielarten des Yoga gibt: Mit Ziegen, mit Gewehren, mit Bier, mit Stand-up-Paddles, bei heißen Temperaturen und bei kalten Minusgraden… Die Geschichte des Yogas zeigt drei wesentlich Wirkbereiche:

  1. spirituell/religiös (Seele): Sinnstiftung, Verbundenheit
  2. geistig/psychisch/Mental (Emotion und Verstand): Förderung der Konzentrationsfähigkeit und der Fähigkeit zur Entspannung, Glücklichsein ist erlernbar (Aufhören, Unglück zu erzeugen)
  3. physisch (Körper): positive Effekte auf die verschiedensten körperlichen Schichten (Knochen/Gelenke, Muskulatur/Sehnen/Faszien, Organe, Nervensystem).

Verschiedene Yogastile gewichten die verschiedenen drei Aspekte anders: körperliches Yoga (Hatha-Yoga), “psychisches” Yoga (Jnana-Yoga) oder spirituelles Yoga (Bhakti) – das wären auch schon drei der traditionellen 4 Yogarichtungen (zu Ergänzen: Karma-Yoga – das Yoga des selbstlosen Handelns). Die Übungsformen unterscheiden sich demnach deutlich: schweißtreibende Asanas, messerscharfe Diskussionen und auseinandersetzungen mit alten und neuen Texten und Themen, Übungen zur Konzentration bis hinein in die Meditation.

1.3 viele Übungen und zwei geheime Zutaten

So können Yogis viele Dinge tun: Auf der Matte schwitzen, Singen, Atmen, sich ernähren, nachdenken, meditieren oder auch mal gar nichts tun (Körper und Geist fast auf einen Nullpunkt herunterfahren).

Es gibt zwei “geheime Zutaten”, die diesen Aktivitäten – eigentlich allem, was wir tun –  eine “yogische Qualität” hinzufügen – Sport, Singen, Atmen sind keine Yogaübungen an sich. Es geht um Achtsamkeit und Konzentration, die nach “innen” führen. 

Das hast du bestimmt schon mal gehört: “Die Mitte finden….”, “bei sich ankommen…” Warum? Weil Ruhe, Glück, Zufriedenheit und Fülle eben draußen dauerhaft nicht zu finden sind – nicht im Internet, nicht im Fernseher, nicht im Räucherstäbchen, nicht in der aktuellen Yogamode, nicht im durchtrainierten Körper, nicht im sportlichen Gewinnen-Wollen. 

Yoga ist streng genommen also ein “zu-sich-Kommen” durch Achtsamkeit und Konzentration mit Hilfe bestimmter Übungen. Gleichzeitig ist es aber auch gut, Yoga für andere Ziele zu nutzen, z.B. für den Sport, wie wir nun folgend entdecken werden.

2. Yoga für Fußballer

Mit diesen Informationen über die Hintergründe des Yoga  im Hinterkopf nähern wir uns endlich der Frage: “Welchen Nutzen kann Yoga für Fußballer haben?” Wir betrachten in Folgendem den Nutzen zunächst auf körperlicher, dann auf mentaler Ebene – mit Blick auf den Einzelnen und auf das Team.

2.1 Yoga hat körperlich Einiges zu bieten

  • Stärkung der inneren Haltemuskulatur (Stabilisationstraining) zur Stärkung der Gelenke und Stabilisierung der Wirbelsäule. Ein guter Weg, Verletzungen auf dem Spielfeld vorzubeugen – ein muskulär gut gestütztes Fußgelenk wird vermutlich weniger schnell umknicken, als ein weniger so geschütztes Gelenk.
  • Erhöhtes Körpergefühl: Es gibt Menschen, die sich bewegen können, wie Katzen – so oft sie auch fallen, es gibt keine oder kaum Verletzungen. Und es gibt diejenigen, die eigentlich immer und sehr rasch Blessuren davon tragen. Dieser Unterschied ist mit unterschiedlichen Trainingsständen kaum zu erklären. Wer seinen Körper vielfältig wahrgenommen und ausprobiert hat, eine genaue Landkarte für Körper und Bewegung angelegt hat, wird automatisch sich eher “natürlich”, d.h. Körper-gerecht bewegen. Ein Gespür für optimale Bewegungsabläufe wird auch übereifrig Trainierende davor bewahren, sich zu überfordern und Schäden zu erzeugen (zu viel oder zu einseitiges Training).
  • Ausgleich von Sportart-spezifischen muskulären Dysbalancen: Auch wenn kein Fußballspieler mehr nur Lauftraining, Balltechnik und Taktik übt, so hat doch jede Sportart ihre spezifischen Anforderungen, denen sich der Körper nach und nach anpasst. Eine Yogapraxis, die darauf eingeht, kann entstehende oder entstandene Einseitigkeiten korrigieren.
  • regeneratives Element: Gerade zu Trainings- oder Spielende können Yogaübungen gut genutzt werden, schneller in eine körperliche Regeneration zu kommen. “Verkürzte” (weil in einer Restspannung verbleibende) Muskelpartien werden gedehnt und entspannt, bewusst eingesetzte Atemübungen ergänzen diesen Prozess. 

2.2 mentaler Benefit

  • Abwechslung von der Trainings-Routine: Jeder Trainer versucht irgendwie, ein abwechslungsreiches Training zu gestalten – doch jede Sportart hat ihre Lieblingsübungen. Yogastunden sind eine wohltuende Abwechslung: Ein anderer Trainer, ein anderes Setting, eine andere Atmosphäre.
  • Teambuilding (Reduzierung von Stress und Erwartungsdruck im Team): Gerade Mannschaftssportarten können einen enormen Druck auf den Einzelnen ausüben. Jeder trägt zum Gewinnen bei – das ist ja erst mal vorrangiges Ziel. Wer möchte da zum Verlieren beitragen? Ich habe selbst Eltern erlebt, die am Spielfeldrand das ganze Spektrum emotionaler Ausbrüche bedienen – vom Szenenapplaus über Buhrufen bis hin zu Beschimpfungen (auch des eigenen Kindes). Sicherlich macht diese Emotionalität den Fußballfans besonders großen Spaß und lockt sie in die Stadien, aber es erhöht um so mehr den Druck auf die Spieler auf dem Rasen. Und wir sehen auch, wie sich die Mitglieder im Team beginnen können, sich ähnlich hitzig zueinander zu verhalten und sehr ungnädig mit den “Fehlern” der Teamkollegen umzugehen. Ganz sicher spielt das nicht den “Ideen vom Team” zu. Ganz sicher wird jeder Yogalehrer diese Mechanismen auf eine eigene Art zur Sprache bringen und ganz sicher wird der Austausch über diese Dinge ein Team zusammenbringen (Teambuilding).
  • Umgang mit Stresssituationen – Konzentration und Fokus: “Ich habe den Ball. Es ist meine Aufgabe, ihn nach vorne zu befördern, ihn mir nicht abnehmen zu lassen, ihn gut zuzupassen oder bestenfalls direkt ins gegnerische Tor zu bringen.” Besonders beim Freistoß und Elfmeter ist diese Anspannung völlig natürlich und kein noch so guter Teamgeist kann diesen Stress nehmen. Oft genug ist eben dieser Stress – in Gedanken verbalisiert oder einfach nur gefühlt – der Grund dafür, dass wir nicht an unser Potential herankommen, dass wir selbst in Routinesituationen nicht leisten können, wozu wir eigentlich im Stande wären. Wie können wir diesen Stress als “positiven Stress” erkennen und trotzdem fokussiert und konzentriert bleiben?
  • Taktik – Aufmerksamkeit auf dem Spielfeld: Dass Yoga die Fähigkeit der Wahrnehmung positiv beeinflusst, ist gut erforscht und nach dem bisher Gesagten gut nachvollziehbar: Der Gruppendruck ist einem echten Teamgeist gewichen, Stress- und Leistungsdruck und die damit einhergehende mentale Beschäftigung mit sich selbst sind gesunken – da entsteht mehr Raum für die Wahrnehmung des Geschehens auf dem Spielfeld.
  • Ein gutes Ich-Gefühl – Selbstvertrauen und Akzeptanz: Yoga führt zu einem guten Ich-Gefühl, ob dick ob dünn, ob groß oder klein, ob schnell oder langsam ob Stürmer oder Verteidiger. Solch ein Gefühl ist nicht nur ein persönlicher Gewinn, es bringt ein ganzes Team nach vorne: Das sind meine Stärken und das sind deine. Das sind meine Schwächen und das sind deine Schwächen. Wunderbar!
  • Mal ganz Absichts-frei abschalten: “Beim Yoga komme ich mal so richtig runter.” So fordernd Yogastunden auch sein können – die Atmosphäre wird immer entspannt und konzentriert sein. Und auch für Sportler wäre es bestimmt ein Gewinn, die körperliche und mentale Pausentaste zu finden. Am Ende von Yogastunden genießen wir die Endentspannung und üben regelmäßig, diesen Knopf zu finden.

3. tabellarische Zusammenfassung und Fazit

Unser kurzer Ritt zum Thema “Yoga und Fußball” hat dir hoffentlich die bunte Welt des Yoga auf einfache Weise etwas näher gebracht und deine Neugier als Fußballer*in geweckt. Wir konnten 10 mentale und körperliche Vorteile einer begleitenden Yogapraxis benennen:

körperlicher NutzenAusgleich und Unfallvermeidungmentaler Nutzenfür den Einzelnen und für das Team
Stärkung der inneren HaltemuskulaturAbwechslung
erhöhtes KörpergefühlTeambuilding
Ausgleich von muskulären DysbalancenUmgang mit Stress
RegenerationAufmerksamkeit auf dem Spielfeld
Selbstvertrauen und Akzeptanz
absichtsfrei abschalten

Es steht außer Frage, dass Yoga diese Vorteile nicht alleine beanspruchen kann. Viele der Übungen kennen Trainer*innen, Physiotherapeuten*innen, Motivations- und Entspannungstrainer und Teamcoaches. Damit haben wir auch schon ein paar der Berufe genannt, die sich mit guten Gründen im professionellen Bereich um eine Fußballmannschaft herum gestellt haben.  

Persönlich ist es – auch nach Schreiben dieses Artikels – immer wieder erstaunlich zu sehen, wie wandelbar und anpassbar Yoga ist und jedem Menschen jeden Alters zu jedem Zweck dienen kann. Wir haben drei Wirkbereiche des Yoga benannt und sehen uns gegenüber ein altes Übungssystem, welches von Anfang an die vielen Aspekte des Menschseins in eine Disziplin gegossen hat. So kann auch jeder für sich in diesem komplexen System fündig werden – als Büromensch, als jemand, der Stress erlebt und natürlich als Sportler.

Deine Persönlichkeit, Deine Teilnehmer/innen verstehen

Guru – brauchen wir eine Lehrerin/einen Lehrer?

In unserer Welt begegnen wir den Yogübungen in Zeitschriften, im Internet oder in Kursen – das alles sind Wege, auf denen wir kaum eine Beziehung zu einer Lehrerin oder zu einem Lehrer eingehen. Das ist einer der Aspekte des „modernen Yoga“.

Auf diese Weise werden wir zu uns bestimmten Übungen, z.B. den Asanas hingezogen fühlen und vielerlei Anregungen bekommen: kräftigende Asanas, entspannende und dehnende, anatomisch korrekte, Asanas im Flow und vieles mehr.

Willst du wirklich den Yogaweg gehen, wie ihn Pantanjali mit seinen 8 Stufen beschrieben hat, wirst du zumindest zeitweise eine Lehrerin, einen Lehrer oder einen Guru brauchen, der oder die dich ganzheitlich voranbringt und dich möglicherweise in für dich zunächst unbequemere Bereiche führt. Erinnere dich – Yoga besteht aus Ethik (Niyamas, Yamas), konkreten Übungen (Asanas, Pranayama, Pratyahara) und geistig/spirituellen Übungen (Dharana, Dhyana) mit dem Ziel von Samadhi.

Die Verschmelzung von „Innen und Außen“ ist der von je her angestrebte Weg des Yoga. Ein Weg der Mitte und Balance.

In der Tradition schlagen wir vor, einen „Vermittler“ zu kontaktieren, einen Guru – jemanden, der für dich Licht ins Dunkle bringt: Díe Balance zwischen Außen und Innen ist ein Drahtseilakt – mal verfallen wir in diese, mal in jene Richtung. Es ist gut, jemanden an seiner Seite zu wissen, der die eigene Entwicklung begleitet (z.B. Ishanath). Erst gegen Ende der Reise dürfen wir vom Sadhguru sprechen, dem „inneren Lehrer“.

Sadghuru beschreibt das so: „Wenn du ein neues Land erkunden möchtest, wie kommst du am schnellsten voran? Spontan ausprobieren oder jemanden nach dem Weg fragen?“