Vielleicht hast du schon mal erlebt, dass eine Yogastunde, besonders wenn sie recht langsam fließt, einem ziemlich lang vorkommen kann, manchmal auch ziemlich kurz.
Spätestens in der Endentspannung oder Meditation bemerkst du eine gewisse Unruhe auf körperlicher Ebene (es fällt schwer, ihn wirklich ruhig liegen zu lassen – die Nase juckt, der Körper will einfach nicht still sein…), auf emotionaler Ebene (irgendwie ein Unruhegefühl) und auf intellektueller Ebene (Gedanken und Ideen drängen sich auf, während man „zur Ruhe“ kommen möchte).
Ich denke nicht, dass uns die ruhigeren Übungen des Yoga unruhig machen, sondern dass wir in der Ruhe unseren „normalen“ Zustand erfahren: Wir begegnen unserer Unruhe, die uns unbewusst durch den Alltag treibt. Diesem Zustand entfliehen wir oft durch sehr intensive Erlebnisse/Reize (Tanzen, Sport, konzentriertes Lesen, Rausch, Sexualität…) und wir bemerken, wie danach dieses Hintergrundrauschen sich langsam wieder einschleicht: Gefühle und Gedanken treiben uns von hier nach da, ins Gestern und ins Morgen und wir haben das Gefühl, nicht in die „Stille“, ins „Hier und Jetzt“ zu kommen und bemühen uns um die nächste „Pause“ davon. Dieser Kreislauf kostet viel Energie und nicht wenige von uns bemerken das.
Unser Herz schlägt, unsere Lunge atmet, unser Gehirn denkt. Im Yoga wollen wir weder das Herz, noch unsere Lunge noch unser Gehirn ausschalten. Das Einzige, was wir zunächst üben, ist unsere Aufmerksamkeit direkt dorthin oder von dort weg zu lenken – wir entscheiden uns für die besondere Wahrnehmung der Gedanken oder dagegen, indem wir sie einfach sein lassen, so wie sie sind – sie gehören eben auch zum „Hier und Jetzt“. Aber wir können uns entscheiden, sie mit Energie und Aufmerksamkeit zu nähren, oder nicht, uns mit ihnen zu identifizieren, oder nicht, die Gedanken zu denken oder in der Rolle der Beobachtern / des Beobachters einfach nicht-wertend wahrzunehmen. Manchmal grummelt der Magen – manchmal grummelt das Hirn, mehr nicht.
Und schon bald werden wir nicht mehr so sehr an unseren Gedankenaktivitäten hängen, so wie wir auch unsere Magenaktivität (oder Herz oder Lunge…)zumeist nicht besonders beachten müssen: In diesem Zustand kannst du bewusst deinen Intellekt benutzen oder ihn auch mal ruhen lassen.
Es ist nicht möglich, die Wellen des Ozeans zu stoppen und es wäre töricht, das zu probieren. Aber du kannst lernen, auf diesen Wellen zu reiten oder eine Zeit lang zu tauchen oder dich genüsslich treiben lassen.
Nach den ethischen Überlegungen (Niyamas, Yamas) und konkreten Übungen (Asanas, Pranayama) betrachten wir nun die geistig/spirituellen Dimensionen des Raja Yogas.
Pratyahara – Das Zurückziehen der Sinne (nach innen)
Dharana – Zustand der Konzentration als Folge von Pratyahara
Dhyana – Zustand der Meditation als Folge von Pratyahara und Dharana
Samadhi – Zustand des höheren Bewusstseins als Ergebnis des Yoga
Viele Menschen erwünschen vom Yoga zu Recht und mit guten Ergebnissen eine Linderung oder Befreiung von körperlichen Schmerzen/Beeinträchtigungen. Ebenso aber spüren viele nach einiger Zeit, dass das System auch dazu einlädt, psychisches oder seelisches Leid zu überwinden, um Glück zu erfahren:
ein altes Mantra: Möge Harmonie und Glück für alle Welten sein. Mögen alle Wesen der Welt glücklich sein. Mögen alle Wesen Glück und Harmonie erfahren
Ängste machen äng (eng), schränken unsere Möglichkeiten ein. Wenn sie akut oder latent wirksam sind, bringen sie uns in die Flucht (Ablenkung, Süchte…), in den Rückzug (Regression) oder aber wir stagnieren. Wie schön, dass wir uns toller Inspirationen bedienen dürfen.
Diese kleine Arbeit über Fitz Riemanns „Grundformen der Angst“ möge dir Appetit machen, deine Angst zu verstehen und vor allem zu spüren, dass du damit niemals alleine bist. Viel Freude beim Lesen und vielleicht auch beim weiterforschen.
über die Anerkennung des Leidens (Buddhismus und Psychotherapie)
zwei Wege, mit dem Leiden umzugehen (Durcharbeiten, Loslassen)
„Das Leben im Daseinskreislauf ist leidvoll: Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden; Kummer, Lamentieren, Schmerz und Verzweiflung sind Leiden. Gesellschaft mit dem Ungeliebten ist Leiden, das Gewünschte nicht zu bekommen ist Leiden. Kurz, die fünf Aneignungen sind Leiden.“
aus: Dalai Lama: Die Vier Edlen Wahrheiten: Die Grundlage buddhistischer Praxis, Fischer-Verlag 2014
Und natürlich beschäftigt sich auch die Psychotherapie mit dem Leiden von Menschen als eine Grunderfahrung. Fritz Riemann beschreibt in seinem Buch „Grundformen der Angst“ (1961) die Unausweichlichkeit der Angst (als eine Form des Leidens), die sich zwangsläufig aus der Entwicklungsfähigkeit des Menschen ergibt:
„Entwicklung, Erwachsen-werden und Reifen haben also offenbar viel zu tun mit Angstüberwindung, und jedes Alter hat seine ihm entsprechenden Reifungsschritte mit den dazugehörenden Ängsten, die gemeistert werden müssen, wenn der Schritt gelingen soll.“
Fritz Riemann: Grundformen der Angst. Ernst-Reinhard-Verlag
zwei Wege, mit dem Leiden umzugehen
In der buddhistischen Lehre – so scheint es mir – geht es vor allem darum die Anhaftung an den 5 Skandhas (Eindrücke des Körpers, der Gefühle…, vgl. die 5 Koshas) zu überwinden: LOSLASSEN. Wer das Wesen der Gefühle und Gedankenkonstrukte erkennt (transzendiert), wird den Schleier (Maya – die Kraft der Täuschung) lüften und frei sein. Leid und Angst sind in dieser Betrachtung nicht wesentlich und nur ein Teil unserer irdischen/physischen Existenz.
Besonders in der Tiefenpsychologie, aus dieser Tradition kommt Fritz Riemann, geht es aber um das anschauen und inhaltliche durcharbeiten von Leid, von Ängsten mit denen wir gesund und ausgleichend umgehen können. Psychologen würden vermutlich manchmal davor warnen, das die östlichen philosphischen/religiösen Wege in die Verdrängung von Emotionen führen können und dann als Schatten uns doch nicht loslassen.
Vermutlich sind beide Wege wichtig: Verstehen/Durcharbeiten und Loslassen. Vielleicht bedingt das Eine auch das Andere: Wenn ich es verstanden habe, kann ich es loslassen.
4 Herausforderungen und 4 Grundängste – 4 Persönlichkeitsstrukturen
Individualität versus Gemeinschaft: Ein heranwachsender Mensch steht vor einer ersten paradoxen Aufgabe: Einerseits gibt es da den Drang, ein individueller und einzigartiger Mensch zu werden, andererseits ruft es ihn dazu, ein Teil einer Gruppe zu sein. Es entstehen zwei Grundängste: Die Angst davor, sich selbst zu verlieren und die Angst davor, die Gemeinschaft zu verlieren. Die übergroße Angst vor der Hingabe führt zum schizoiden Charakter, die Angst vor der Selbstwerdung führt im Extremfall zur Depression.
Veränderung versus Dauerhaftigkeit: Ebenso steht der Mensch zwischen dem Bedürfnis nach Veränderung einserseits und nach der Dauerhaftigkeit andererseits. Es kann eine Angst vor der Veränderung entstehen, die den zwanghaften Persönlichkeitstyp hervorbringt und eine Angst vor der Notwendigkeit/Dauerhaftigkeit, die zur hysterischen Persönlichkeit führt.
positiv gewendet: 4 Begabungen
Riemann beschreibt ganz eindrücklich das Erleben von schizoiden, depressiven und hysterischen und zwanghaften Persönlichkeitstypen, die Ursachen und die Probleme, die sich in der Liebesfähigkeit ergeben.
Wir können das Ganze auch positiv drehen und von 4 Begabungen sprechen, um das Feld der Angst zu verlassen:
Die Begabung, bewusst ein einzigartiges, wertvolles Individuum zu sein.
Die Begabung, bewusst ein wertvoller Beitrag in der Gemeinschaft und in den persönlichen Beziehungen zu sein.
Die Begabung, bewusst Verlässliches und Dauerhaftes zu erschaffen.
Die Begabung, bewusst Neues zu erleben und Veränderung zu wagen.
Einladung zur Arbeit mit diesem Wissen
Selbst wenn wir alle diese 4 Pole kennen und auch Anteile an den entsprechenden „Verhärtungen“ haben, hat es bei dir beim Lesen vielleicht irgendwo besonders eingehakt und hier schließlich die Einladung, selbst weiter zu lesen und mit anderen drüber zu reden. Du kannst uns vor und nach den Yogakursen gerne darauf ansprechen.
Durga – Kraft der Veränderung gegen die inneren Feinde (Video)
Milarepa (Video)
Jesus (Video)
Die meisten Religionen sind sich einig, dass es im Grunde nur einen Gott, eine Kausalität, eine Urkraft, eine ursprüngliche Intelligenz, nur einen Ursprung für alles gibt. Nennen wir das Gott, Allah, Brahman, das Dao – es geht um diesen eine Quelle, der wir viele „göttliche Eigenschaften“ zusprechen: Liebe, Güte, Veränderung, Beständigkeit. Im Islam hat man die 99 schönen Namen Gottes formuliert – eine sehr schöne Sammlung.
Während man im z.B. im Judentum der recht Abstrakten Idee vom „Einem“ nachgeht, bringt es das (katholische) Christentum auf eine anschauliche „Trinität“ (bereichert um die vielen Heiligen) und im Hinduismus kennt man tausende Göttinnen und Götter, die die verschiedenen Qualitäten (des „Einen“) repräsentieren.
Wenn wir von „Göttern“ und „Heiligen“ sprechen, reden wir nicht von Personen oder Individuen, sondern von göttlichen Qualitäten, die für uns Menschen erfahrbar und verwirklichbar sind, wenn wir bereit sind, unser „Ego“ aufzugeben (sterben zu lassen). In yogischer Tradition sprechen wir von Göttern als Ideale dieser Qualitäten, mit denen wir uns verbinden können. Wir sprechen von Heiligen, wenn Menschen ihre göttliche Natur als Erleuchtete erkannt, verwirklicht und andere Menschen gelehrt haben.
Die Götter und Heiligen sind in diesem Sinne weniger als „über uns stehende und zu verehrende und über uns urteilende und richtende“ zu begreifen, sondern sie sind Inspirationen und Lehrer/innen, die uns helfen wollen, unsere eigene „göttliche Essenz“ zu entwickeln und bewusst zu erkennen.
Die Mystiker der Religionen und die frühen christlichen Gnostiker haben daran geglaubt: Das Göttliche liegt in uns und es geht darum, diesen ewigen Kern zu erkennen und die irdische Bedingtheit zu überwinden.
Dabei haben viele Heilige nicht notwendigerweise den Weg der Askese gewählt. Vielleicht geht es darum, die diesseitige Existenz zu leben, als Geschenk anzunehmen und zu genießen, gleichzeitig aber auch darum, die jenseitige Dimension zu pflegen und mehr und mehr bewusst werden zu lassen.
So trifft sich Diesseits im Jenseits, Menschliches und Göttliches, Energie und Bewusstsein, Immanenz und Transzendenz, Brahman und Atman… Vermutlich ist es diese Verbindung, die Yoga im Wortsinn meint.
Du hast schon öfters davon gehört: Manchmal werden z.B. in der Schule oder im Gottesdienst Texte ruhig vorgelesen und man nennt das „eine Meditation“. Sicherlich kennst Du auch die Mandalas (sehr symmetrische Ausmalbilder) aus der Schule. Manche sitzen mit verschlossenen Augen da und sagen, dass sie meditieren. Manche machen eine Geh-Meditation und wieder andere nennen Musik und Singen eine Meditation. Andere nennen den Sonnengruß eine Meditation in Bewegung.
Bei der Meditation geht es also weniger darum, was man tut und ob man liegt, sitzt oder geht. Es geht vielmehr darum, wie man es tut. Meditation ist eigentlich ein Zustand des Geistes:
Der Alltag/das Ego hat Pause: Menschen gehen in dem, was sie tun völlig auf. Sie sind nicht zerstreut in äußere Dinge. Das, was sie tun, tun sie mit hoher Konzentration und Hingabe.
Es zählt der Moment: Meditierende Menschen erleben den Moment. Sie denken nicht nach über Vergangenes oder Zukünftiges. Sie erleben das, was sie tun, ganz direkt im „Hier und Jetzt“. Dabei erleben sie eine sehr friedvolle Zeit. Oft verschwindet das Zeitempfinden und man hat keine Ahnung, wie lange man in der Meditation war.
Keine Bewertung, keine Ziele, kein Leistungsdruck – unbedingte Annahme: In der Meditation wird nicht bewertet, was geschieht. Das Erleben ist Vor-/Urteilsfrei. Sogar, wenn wir bemerken, dass wir abgelenkt sind und Gedanken auftauchen, urteilen wir nicht. Wir nehmen das ohne Bewertung an.
Kreativität – freies Fließen von Emotionen und Gedanken: Weil alles, was auftaucht an Gedanken und Gefühlen wertfrei da sein darf, fließen Gedanken und Gefühle frei. Es gibt nichts, was nicht sein darf.
Bewusstsein: Alles, was während der Mediation auftaucht, ist bewusst und wird beobachtet. Du bist der Raum, im dem das alles auftaucht: Soham.
Ausrichtung auf ein Ideal: Oft versenken sich Menschen einfach in den Moment, sehr oft aber richten Meditierende ihre Aufmerksamkeit auf etwas „Großes“: Auf Mitgefühl, auf Liebe, auf Gott, auf Versöhnung, auf Frieden… Dazu werden manchmal Texte oder Mantren rezitiert oder gesungen. Das Mantra „OM Shanti“ kennst Du bereits. Es geht um die Ausrichtung auf „Frieden“.
Für mich ist es immer wieder spannend zu beobachten, wie nahe spielende Kinder der Meditation sind: Sie gehen ganz in ihrer Tätigkeit auf, sie tauchen in den Moment ein, sie haben keine Ziele und bewerten ihr Tun nicht und sie verlieren oft jedes Zeitempfinden… Hast Du das bei kleineren Kindern, Geschwistern oder bei Dir selbst schon mal beobachtet?
Testfragen
Meditation ist eigentlich ein …. Ergänze den Satz.
Beschreibe den meditativen Zustand des Geistes (6 Aspekte).
Was bedeutet „Soham“?
Was ist ein „Mantra“?
„Das Gegenteil von Meditation ist Zerstreuung in äußere Dinge.“ – Denke darüber nach. Wie sind wir oft zerstreut in äußere Dinge?
Übungen: Atemmeditation im Sitzen
Übe folgende Atemmeditation, die Du so auch demnächst anleiten kannst.
Komme bequem ins Sitzen.
Ziehe die Konzentration von außen ab und schließe die Augen.
Spüre Deine Füße, die Waden, die Oberschenkel und entspanne sie.
Spüre, wie du am Boden sitzt, wie dein Körper sein Gewicht auf die Matte abgeben kann.
Die Wirbelsäule strebt Wirbel für Wirbel nach oben bis hin zum Scheitel Deines Kopfes.
Entspanne Schultern, die Arme schwer, Gesicht hell und entspannt.
Nun wende Dich Deinem Atem zu. Beobachte es genau. Wie die kühle Luft durch die Nasenflügel ihren Weg nimmt und warm wieder nach außen kommt. Ein und Aus. Wie Wellen ein und aus.
Konzentriere Dich nun für eine Zeit komplett darauf. Nur der Atem. Gedanken mögen kommen, lass sie gehen. Empfindungen mögen kommen, kehre zu Deinem Atem zurück.
….
Zum Aufwachen vertiefe nun deinen Atem, bewege dich leicht und öffne wieder die Augen.
Bevor du mit den Atemübungen einsteigst, solltest du den Artikel „Pranayama – Anatomie des Atmens“ lesen, das wird deine Praxis ganz sicher bereichern und eine gute Grundlage vermitteln. Empfehlenswert ist auch der Artikel „Das Konzept von Energie im Yoga„.
Wir haben uns entschlossen, die Atemübungen nicht in einzelnen Posts vorzustellen um zu vermeiden, dass du zufällig fortgeschrittene Übungen findest und mit diesen beginnst. Gerade in diesem Bereich ist ein sorgfältiges, sensibles und aufbauendes Üben wichtig aus zwei Gründen:
Damit du dich nicht überforderst und evtl. wichtige Aspekte bei den Übungen übersiehst. Atemübungen sind ein direkter Eingriff in dein energetisches und emotionales System – da ist Behutsamkeit (und am besten die Anleitung durch einen erfahrenen Yogalehrer) angeraten.
Damit deine Wahrnehmung des Atems grundlegend verfeinert wird – so wirst du den größten Nutzen bei den Übungen haben. So wie ein Gourmet ein Gericht fein zu erschmecken gelernt hat oder der Sommelier die feinsten Nuancen im Wein entdeckt, wollen wir den Atem genießen lernen.
Und nun zu den Übungen:
1. Atemübungen vorbereiten
Im Artikel „Pranayama – Anatomie des Atmens“ haben wir eine gute Körperhaltung als wichtige Voraussetzung für die Atemübungen beschrieben – der Bauch soll frei beweglich, die Muskulatur sollte möglichst wenig genutzt sein – Atmen in der Liegestütz oder in der Plank ist tatsächlich begrenzt möglich, probier es gerne mal aus.
Also bietet sich ein bequemer Yoga-/Schneidersitz an, viele Übungen kannst du auch im Liegen probieren – hier hat die Stützmuskulatur wirklich Pause und ist frei.
2. den Atem achtsam erkunden
Es folgen ein paar Basics, die du Wochen- oder Monatelang praktizieren und in deine Yogapraxis und bestenfalls auch in deinen Alltag etablieren solltest. Wann du bereit bist für weitere Übungen, wirst du ganz natürlich von alleine bemerken…
1.1 so, wie er ist…
Liegend oder sitzend kannst du bei geschlossenen Augen deine volle Aufmerksamkeit deinem Atem schenken, deinen Lebensimpulsen. Achte darauf, dass du zunächst deinen Atem nicht bewusst führst. Anfangs ist das gar nicht so leicht, weil wir eine Vorstellung von einem „guten Atem“ haben und zugleich beginnen wollen, ihn zu steuern. Also – einfach atmen und neugierig beobachten und vielleicht auch beschreiben: flach-tief, stockend-fließend… Wie auch immer.
Spüre körperliche Empfindungen beim Atmen: Kühle an den Nasenöffnungen, Weite und Ausbreitung, Wärme beim Ausatmen
Vielleicht magst du auch einen Rhythmus feststellen: Wie lange dauert Einatmen, wie lange dauert ausatmen. Gibt es eine Atempause?
Zugegeben, die Aufmerksamkeit wird deinen Atem rasch ordnen und verändern: Er wird feiner, Atemzüge sowie Atempausen werden länger. Du wirst dir der Länge des Atems bewusst: Aus den Impulsen „ein“ oder „aus“ wird ein längeres „ein“ und „aus“. Es stellt sich unwillkürlich eine Beruhigung ein, eine Erdung. Gut so…
Allein diese kleine Übung, die du jederzeit im Auto, im Supermarkt… machen kannst, verändert Vieles.
1.2 Atemrhythmus steuern
Wenn du nicht gerade ein Athlet im Stabhochsprung bist, der vor seiner versuchten Bestleistung ordentlich atmen sollte, kannst du die erdende Qualität etwas forcieren: Einatmend zähle gemächlich bis 4, ausatmend zähle bis 6 – die „4:6 Atmung“. Etabliere diesen Rhythmus für 3-5 Minuten, du kannst das Verhältnis auch erweitern in eine „4:8 Atmung“.
Dein Atemrhythmus verändert sich – je nach Herausforderung – automatisch. Grundsätzlich kann man folgende „Modi“ ausmachen:
neutral: Ausatmen und Einatmen sind gleich lang (z.B. 4:4, 8:8).
aktivierend: Einatmen ist länger als Ausatmen (z.B. 3:1)
erdend und beruhigend: Ausatmen ist länger als Einatmen
Du kannst gerne – nicht mehr als 5 Minuten – mit diesen drei „Modi“ spielen und sie erkunden. Nimm dir nach diesen Explorationen Zeit, den Effekt zu spüren und zur normalen Atmung zurückzukehren. Evtl. solltest du nach einer aktivierenden Sequenz eine erdende nachschieben, um einen Ausgleich zu schaffen und umgekehrt.
Diese drei Arten zu Atmen spiegeln übrigens das Konzept der 3 Gunas/Energiezustände (Satva=ausgeglichen, Raja=rastlos, tamas=träge).
1.3 Atempausen – Atemschaukel
Kindheitserinnerung: Die Schaukel flieht nach vorne, ein Moment der Schwerelosigkeit und die Energie schlägt um – Rückschwung: Nach hinten und wieder ein Moment der Schwerelosigkeit. In diesen Wendepunkten macht sich ein Kribbeln breit, eine Leichtigeit, ein Absprung… Kein Mensch, der nicht als Kind diese Momente ausgekostet hätte, kein Karussell, das nicht mit diesen Momenten spielt. Erinnerst du dich?
Im Sitzen, Augen geschlossen: Beginne die Übung mit einem kleinen Ritual, z.B. 3x OM singen.
Aus: Atme einmal kräftig aus, erlaube der Wirbelsäule, sich etwas dabei nach vorne zu neigen, Kinn leicht Richtung Brustbein.
Pause
Ein: Genüsslich atme ein, als würdest du ein einer duftenden Blume riechen, die Wirbelsäule richtet sich auf, der Kopf legt sich ganz leicht nach hinten, die Augen schauen in die Stirn hinein.
Pause: so lang wie angenehm, beobachte (die Schaukel ist nach vorne geschwungen, Moment der Schwerelosigkeit)
Aus: ausatmend sinkt dein Körper wieder etwas, Kopf senkt sich
Pause: so lang, wie angenehm, beobachte (die Schaukel ist nach hinten geschwungen, Moment der Schwerelosigkeit
wiederhole ca. 5 Minuten lang
Beende die Übung nach dem letzten Einatmen, ausatmend bleibe aufrecht sitzen und nimm ein paar feine Atemzüge ohne Schaukelbewegung. Beobachte und beende die Übung, z.B. mit 3x OM.
2. Yoagaatmung
Die „volle Yogaatmung“ führt dazu, dass du wirklich vollständig ein- und ausatmest mit deinem maximalen Lungenvolumen. Eine gute, energetisierende Übung vor z.B. einer fordernden Yogastunde oder einer anderen Sporteinheit/Herausforderung/Prüfung. Regelmäßig praktiziert wird sie z.B. dein Immunsystem auf Vordermann bringen (der Zusammenhang zwischen Atmung und Immunsystem ist auch bei Sängern gut erforscht).
2.1 isolierte Bauch- und Flankenatmung (Zwerchfellatmung)
Die isolierte Bauch- und Flankenatmung kannst du gut im liegen erkunden – hier ruht die Haltemuskulatur. Die flache Bauchatmung ist die entspannte, natürliche Atmung, bei der eigentlich nur das Zwerchfell etwas aktiv ist. Mit einer aktiven Bauchatmung kannst du (gefühlt) 60% deiner Lungenkapazität nutzen.
Im Liegen: Lege die Hände auf deinen Bauch, damit du die Bewegung der Bauchdecke wirklich sicher spüren und beobachten kannst. Beginne, wie immer, mit einem kurzen Ritual, z.B. 3x OM singen.
Aus: Atme kräftig aus, sodass sich der Bauchnabel wirklich in Richtung Wirbelsäule zieht.
Pause
Ein: Atme kräftig ein, sodass sich dein Bauch kräftig nach vorne wölbt, wie eine Kugel.
Pause
Wiederhole ca. 5 Minuten lang
Beende, indem du die Atmung verflachst, aber weiterhin die Bauchatmung praktizierst. Vielleicht setzt du dich jetzt mal hin und probierst diese Atmung auch im Sitzen bei zu behalten. Nutze den Ritual, z.B. 3x OM singen.
2.2 isolierte Brustatmung
Wenn du die Brustatmung erforschen willst, liegt es nahe, den Bauch „auszuschalten“, den du in dieser Übung eingezogen und angespannt lässt. Du wirst beobachten können, dass die Zwischenrippenmuskulatur aktiv werden muss, damit sich der Brustkorb heben kann und Raum für die sich füllenden Lungen gibt. Die tiefe Brustatmung ist sehr aktiv und verbraucht mehr Energie, als die Bauchatmung. Etwa 40% deiner Lungenkapazität erreichst du mit der reinen Brustatmung.
Im Sitzen: Beginne mit deinem Ritual. Lege deine Hände links und rechst (eher weiter vorne Richtung Mitte) auf die Rippenbögen.
Aus: Atme kräftig aus, Bauch zieht nach ihnnen, aufrechte Sitzhaltung erhalten.
Pause
Ein: Bauch bleibt leicht angespannt/eingezogen, die Rippenbögen heben sich, du kannst dich leicht nach oben/hinten lehnen
Pause
Aus: aufrechte Sitzhaltung wird erhalten, Brustkorb sinkt und sein Umfang verkleinert sich
Pause
Wiederhole ein paar mal, nicht länger als 2 Minuten.
Beende die Übung mit ein paar tiefen Atemzügen, beiteilige nun wieder deinen Bauch. Beende mit deinem Ritual.
Wenn wir nun beide Atembereiche nacheinander einschalten, erreichen wir mit etwas Übung die 100%ige Belüftung der Lunge – das Ziel der vollen Yogaatmung. Die Atemzüge kannst du für die hörbar machen mit dem Ujay-Atem. Dabei erzeugst du ein leichtes Atemgeräusch zwischen den Stimmbändern (Hauchen bei geschlossenem Mund). Das wird deine Konzentration verändern und den Fokus auf die Länge des Atems richten.
Im Sitzen: Beginne mit deinem Ritual.
Aus: Atme vollständig aus, Bauch zieht nach innen, Brustkorb klein. Wenn du magst, neigt sich der Oberkörper etwas nach vorne, Kopf senkt sich.
Pause
Ein: Beginne damit, den Bauch zu füllen (zähle: 1, 2, 3, 4), richte den Köper weiter auf und weite und fülle den Brustraum (zähle: 5, 6, 7, 8), hebe dann leicht die Schultern und beobachte, wie noch etwas mehr Luft einströmen kann (zähle: 9, 10).
Pause
Aus: Ausatmend senke die Schultern (zähle: 1, 2), senke den Brustkorb (zähle: 3, 4, 5, 6) und schließlich leere den Bauch und ziehe ihn nach innen (zähle 7, 8, 9, 10)
Pause
Wiederhole ca. 5 Minuten lang und erlaube es deinem Atemrhythmus, sich zu verändern, zähle mit. Übe nur so lange, wie es dir gut geht damit. Beende die Übung, indem du zum normalen Atem zurückkehrst. Beobachte.
Die volle Yogaatmung kannst du auch im Stehen praktizieren und deinen ganzen Körper dran genussvoll beteiligen: Ausatmend komm in die stehende Vorbeuge, in der Pause hock dich hin. Eintamend hebe die Hände (Bauch), strecke die Beine und komme in eine leichte stehende Rückbeuge (Brust) und hebe die Schultern)…. Vergiss die wichtigen Pausen nicht, die für den Gasaustausch (Diffusion) wirklich wichtig sind.
4. gängige Pranayamaübungen
4.1 Ujay
4.2 Bhramari
4.2 Wechselatmung
4.3 Kaplabhati
4.4 Atmung mit Affirmationen / bildhaften Vorstellungen